18 Holes of Fun.

Kleine Dinge können einen auch ganz schön groß ärgern. Aber der Reihe nach. „Mamaaaa, was können wir machen?“ Ein Satz wie ein abgelaufener Joghurt im Kühlschrank. Der kommt immer mal wieder vor, nervt bis auf´s Blut, kann aber grundsätzlich ganz schnell geklärt werden. Es ist Sommerferienzeit. Eltern von Kindern unter 15 Jahren kennen das. Die Kids sind einfach noch nicht alt genug, um die Freizeitgestaltung allein voranzutreiben und der langersehnte Urlaub ist noch 3 Wochen entfernt. Sie wissen zwar ganz genau, was uncool, lame oder auch cheedo und sick as fuck ist, aber was man so außerhalb der WLAN-Zone unternehmen kann, das wissen sie leider nicht. Hier benötigen sie Hilfe von den Homies, die so unendlich cringe, oldschool und peinlich sind. Natürlich kommen die Eltern dann mit Ideen aus der Steinzeit an. „Ihr könnt doch Fahrrad fahren, Rollschuh laufen, mit Kreide eine Rennstrecke für Matchbox-Autos auf die Straße malen.“ Doch diese Ideen kommen gar nicht erst im Hirn der modernen Faultier-Kids an. „Geht doch in den Pool oder auf´s Trampolin?“ Auch die Antworten kommen direkt wie aus einer Super-Soaker geschossen: „Haben wir schon, kennen wir schon, machen wir später, haben wir keinen Bock drauf.“ Ok. Jetzt bekommen die Kids noch Vorschläge aus der angewandten Life-Science-Forschung: „Geht doch mal in die Natur. Forscht doch mal ein bißchen. Welche Pilze sind giftig? Oder welche Laubbäume könnt ihr in unserer Gegend finden? Wie viele Punkte hat ein Marienkäfer?" Sehr gerne streue ich dann auch Fragen aus der Meta-Ebene ein. „Welche Farbe hat Wasser? Was ist Wind? Warum kann man Strom nicht sehen? Wie funktioniert ein Atomkraftwerk?" Nun gut, meine Kinder schauen dann immer voller Mitleid und erwarten echte Vorschläge aus der Papa-Freizeit-Kiste.

 

Wir fahren zur Minigolf-Freizeitanlage „18 Holes of Fun“. Der Name verspricht einem Erwachsenen so einiges. Die Freude ist auch bei den Kids sehr schnell sehr groß. Bis sie gemerkt haben, dass es sich hier um ein Geschicklichkeitsspiel mit einem Ball handelt und nicht um ein Treffen mit den Minions. Es ist trocken, die Sonne scheint, aber es ist nicht zu heiß. Das ideale Minigolf-Wetter. Das gilt natürlich auch für alle anderen Familien, die mit uns in der 20-Meter-langen Schlange anstehen müssen. Ich hoffe sehr, dass sich die Anlage, das Equipment und die Regeln gegenüber meiner Kindheit entsprechend der Digitalisierung und dem Fun-Faktor ordentlich weiterentwickelt haben. Ich träume von Hightech-Schlägern, die ich präzise mit einem Laser justieren kann. Einem Ball-Sortiment, das mir direktes Feedback zur Schlagstärke gibt. Einem Tablet, auf dem man die Herausforderungen der jeweiligen Bahn durch einen attraktiven, weiblichen Super-Helden-Halo erklärt bekommt und dann easy die Score durch Touchscreen saven kann. Der Traum endet, als ein kleines Mädchen ihr Cornetto Erdbeer an meine Wade drückt. Dann höre ich den Anlagen-Besitzer die Regeln in Kurzform erklären. Nicht die Bahn betreten. Jeder hat sechs Schläge. Nicht die Bahn betreten. Es gibt vier verschiedene Bälle. Nicht die Bahn betreten. Wer den Schläger kaputt macht oder Bälle verliert, muss diese ersetzen. Nicht die Bahn betreten. Viel Spass. Nicht die Bahn betreten. Dann sind wir an der Reihe. Ich halte direkt Ausschau nach der Virtual Reality-Brille und bekomme einen Schläger, vier Bälle in einem Plastik-Körbchen und ein Klemmbrett mit Bleistift überreicht. Der nette, ältere Herr im Kiosk ist nicht nur der Anlagen-Betreiber, Eis-Verkäufer, Minigolf-Regeln-Erklärbär, sondern auch deutscher Vize-Meister im Bahnengolf 1983 und ehemaliger Spieler des MGC Homburg-Saar in der Bundesliga Süd. Er trägt ein Shirt mit dem Aufdruck „Minigolf-Mania“ und wir dürfen Heinz zu ihm sagen. Das schafft Vertrauen. Sichtlich beeindruckt nehmen wir unsere Ausrüstung von der mit Eistee beschmierten Verkaufstheke weg und gehen Richtung Bahn 1. Heinz ruft uns noch ein kurzes „Bahn nicht betreten“ hinterher.

 

In der Realität angekommen stellen wir uns den Herausforderungen der Bahn 1. Die Bahn besteht aus rissigem Beton, die Linienführung zum Loch ist geradeaus und schon geht es los. Ich wähle den roten Ball. Die Universal-Version laut Heinz. Der erste Schlag ist deutlich zu kräftig. Er springt über die Bahnkante heraus und landet direkt in der Handtasche von der Dame auf Bahn 2. Ich schleiche mich an und greife fix zu. Neben dem Ball halte ich noch einen Lippenstift und einen Damen-Tampon in der Hand. Die Kinder der Frau, in deren Handtasche ich gerade wühle, schauen mich verwirrt an. „Konzentriert Euch auf Euer Spiel“ flüstere ich ihnen zu, schaue grimmig, drohe mit einer Schelle und drehe mich weg. Der zweite Schlag ist deutlich besser. Er läuft knapp am Loch vorbei, springt zurück und bleibt 30 cm neben dem Loch liegen. Der dritte Schlag sitzt und ich notiere mir eine 1 auf dem Klemmbrett. Sonst wird es ja schließlich nichts mit dem Bahnrekord.

 

Bahn 2 bis 12 verlaufen unspektakulär. Ich bin straight auf Bahn-Rekord-Kurs. An Bahn 13 müssen wir allerdings warten und ich komme aus dem Rhythmus. Eine Gruppe mit zwei Mamis und sieben Kindern vergewaltigen die Bahn 13. Der Ball muss im Zick-Zack-Kurs eine Rampe hinauf. Es bilden sich tumultartige Szenen und die Geräusch-Kulisse eskaliert wie bei einem Clan-Streit im Freibad. Heinz kommt zornig angerannt und holt direkt zwei Kids schimpfend von der Rampe runter. Die Mamis schreiten empört ein und fordern Heinz auf, ihre Kinder aus dem Schwitzkasten zulassen. Vergebens. Heinz ist hier der Chef. Die Familie bekommt Hausverbot für diesen Sommer. Es geht weiter. Ich kann die Konzentration allerdings nicht halten und notiere eine 5 auf dem Klemmbrett. Bahn-Rekord adé. Nach Bahn 15 fehlen uns 2 Bälle, ein Schläger ist nach dem Frust-Schlag gegen die von Gertrud Böse gesponserte Sitzbank deutlich verbogen und der Bleistift ist abgebrochen. Wir ziehen das jetzt durch. Der letzte Schlag an Bahn 18 verfehlt sein Ziel nicht. Hole in One vor den Augen der Anlagen-Leitung. Minigolf-Gott Heinz gratuliert mir und fragt mich, ob ich vielleicht Lust hätte seiner Hobby-Mannschaft beizutreten. Landesliga. Gutes Niveau. Mixed-Team mit zwei Damen zwischen 64 und 70 Jahren. Heiße Schnitten laut Heinz. Er würde mich an Position 2 setzen. Morgen wäre bereits der erste Spieltag im Spreewald gegen Motor Gurkengolf. Ich sage ab und verschweige die Material-Verluste. Noch schnell zwei Eis für die Kids und lieber schnell weg, bevor Heinz noch merkt, dass ich an Bahn 17 auf die Bahn getreten bin. Aber nur um den Hundekot von meinem Schuh am Bahnrand abzustreifen. In diesem Sinne, schöne Sommer-Ferien.

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