Olympia für alle.

 

Pünktlich zum Winteranfang erreicht mich folgende bahnbrechende Sensationsmeldung: „ARD und ZDF übertragen zukünftig die Olympischen Spiele nicht mehr live.“ Oha, das ist ja mal ein Ding. Ich halte es kaum noch aus. Die Olympischen Spiele müssen zukünftig ohne Kratzbürste Müller-Hohenstein stattfinden? Ist ja brutal. Aber der Reihe nach.

 

Bisher waren wir immer live und in Farbe dabei, wenn rund 11.000 Sportler und Funktionäre aus 200 Ländern fahnenschwenkend ins Stadion einzogen. Minutenlang habe ich vor dem Fernseher applaudiert. Ein buntes Durcheinander. Das gefällt mir. Vor allem die Asiaten hatten immer tolle Klamotten an. Liegt vermutlich an der räumlichen Nähe zu den Produktionsstandorten von KiK. Klarer Wettbewerbsvorteil. Ich habe mich immer wieder dabei erwischt, wie ich vor dem Fernseher voller Sorge laut gerufen habe: „Nicht so dicht an das Feuer ran, Mai-Ling. Weg da, Chen-Lu. Geh ein Stück vom Feuer weg, kleiner Kim.“ Denn sonst macht´s Puff und es brutzelt wie im Gumbao-Wok vom Asia-Snack in Frankfurt/Oder. Doppelt gebackene Olympia-Ente süß-sauer. Die 18a. Muss ja nicht sein. Jedenfalls wärmten sich dann noch internationale, ehemalige Sportlegenden tagelang an dem olympischen Lagerfeuer und die Medaillen gingen vorzugsweise an die Trump´ sche USA, an das putin´sche Rußland und meine Freunde aus dem Süß-Sauer-Land China. Vor allem für China habe ich mich immer besonders gefreut. Nicht wegen den samtigen, knallroten Olympia-Blousons mit elastischem Strickbündchen, sondern wegen ihrer authentischen Freundlichkeit. Bei der Siegerehrung grinsten sie so sehr, als hätten ihnen die modernen Fünfkämpfer aus Versehen ins Knie geschossen. Und umso mehr ein Chinese grinst, umso weniger sieht er. Lustig, oder?

 

Angetan war ich damals auch von der Performance von Èric Moussambani. Das heldenhafte Freistil-Schwimm-Talent aus Äquatorial-Guinea. Ein absoluter Geheimtipp. Allein schon der Sprung vom Startblock ins Wasser sah ein bißchen aus wie reingefallen. Er benötigte für die 100 Meter Freistil eine gefühlte Ewigkeit. Das ZDF blendete schon Textmessages im Laufband ein: „Nachfolgende Wettbewerbe verschieben sich auf unbestimmte Zeit. Der junge Mann schwimmt immer noch. Aber die netten Damen und Herren von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) halten sich bereits bereit.“Aber er hatte keine Schwimmente um. Das wunderte mich schon ein bißchen. Eigentlich rechnete ich damit, dass er dann im Winter beim Rennrodeln an den Start geht. Das wäre konsequent gewesen. Aber der Anzug war ihm wohl zu eng.

 

Ab sofort werden die Olympischen Spiele also nicht von ARD/ZDF, sondern von Discovery Communications und Eurosport übertragen. Satte 1,3 Milliarden haben allein die exklusiven TV-Rechte gekostet, um beispielsweise so mitreißende und fesselnde Sportarten wie Synchronschwimmen, Bogenschießen oder auch Taekwondo live zu übertragen. Ich ergänze noch um Murmeln, Wattepusten und Kirschkern-Weitspucken. Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht einmal mit 100%-iger Sicherheit, ob ich überhaupt Eurosport als Kanal einprogrammiert habe? Wenn ja, dann wahrscheinlich auf Sendeplatz 408. Direkt vor Russia-TV. Eurosport hört sich für mich ein bißchen so wie „Euroshop“ an. Der „Alles-für-ein-Euro-Laden“ in der Kreuzberger Markthalle. In dem man auch rund um die Uhr super günstig nach Aserbaidschan telefonieren kann. Könnte aber auch ein „Special-Schnäppchen-Discout-Sender“ sein, auf dem „Rheuma-Decken- und All-inklusive-Schiffsreisen-Butterfahrten“ aus dem Flex-Bus nach Budapest live übertragen werden. Kurz nach der Kaffee-Kuchen-Pause. Würde mich nicht wundern. Ist ja jetzt quasi die Steigerung zu unserem öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Die heißen nicht umsonst „Anstalten“. Aber zurück zu Olympia.

 

Das Motto der olympischen Spiele heißt ja immer „citius – altius – fortius“. Frei übersetzt: „schneller – höher – stärker“. Dieses Motto gilt zumindest für alle gedopten Weltrekordler und Olympiasieger. Erschöpft stöhnend, aber glücklich geben sie ihre Sieger-Interviews just in time und lächeln dabei live in die Kamera. Für alle anderen gilt ein anderes Motto: “Dabei sein ist alles!“ Dieses Motto gilt ja nicht nur für alle olympischen Versager, ähh, ich meine Verlierer, sondern auch beim Porno-Dreh eines Hardcore-Erotikfilm-Produzenten. Da wird auch live in die Kamera gestöhnt. Gibt allerdings keine Medaillen. Apropos Medaillen. Gold, Silber, Bronze. Jeder kennt die Auszeichnungen für den ersten, zweiten und dritten Platz. Hört sich ja sehr edel und teuer an. Meist sind die Medaillen aber nur beschichtet und der Kern ist vom ersten bis zum dritten Platz derselbe. Bitte was? Ja, der Anschiss lauert eben doch immer und überall. Noch eine Parallele zur Erotik-Industrie. Igitt.

 

Also, die Olympischen Spiele werden auf Eurosport und nicht mehr auf ARD und ZDF übertragen. Heißt aus meiner Sicht deutlich mehr Sport-Übertragungen und hoffentlich ebenso deutlich weniger Interviews mit ehemaligen Sportlern aus Randsportarten. Es geht nämlich auch ohne die Besserwisser-Schlaumeier-Ex-Profis. Adios Skiflieger Dieter Thoma aus Hinterzarten, tschüss Seepferdchen Franzi van Almsick und Bye-Bye an Steffen Fetzner und Jörg Rosskopf – unsere ehemaligen Ping-Pong-Profis. Aber sonst ändert sich für uns dann doch nicht so viel. Schlafen wir eben aufgrund der massiven Zeitverschiebung nicht bei ARD und ZDF, sondern bei Eurosport ein. Auch egal. Ich träume heute jedenfalls von einer geplegten Runde Curling gegen Damen-Auswahl aus Indien. Die Kuh muss vom Eis. Im wahrsten Sinne des Wortes. Gute Nacht, liebe Olympioniken, morgen ist wieder Training.

 

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