Die schönste Zeit im Jahr.

 

 

Der Winter ist nun auch bei mir angekommen. Draußen regnet bzw. manchmal schneit es sogar. Es sind um die Null Grad Celsius, der Himmel ist grau und meine Füße sind „eiskalt“. Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um den Sommerurlaub 2018 zu buchen und sich so eine Extra-Portion Vorfreude zu sichern. Aber wo soll es überhaupt hingehen? Und was möchte ich in diesen zwei Wochen überhaupt erleben? Bade-Urlaub am Strand? Städte-Rundreise in Europa? Club-Urlaub mit einem angetrunkenen Haufen Briten auf Mallorca? Oder eine romantische Schlösser-Tour durch Deutschland? Oder doch ganz weit weg, die Ferne erobern?

 

Ich lasse mich inspirieren und klicke mich tapfer durch die gängigsten Urlaubs-Portale im Internet. Gedanklich bin ich bereits im „Royalton Hicacos Varadero Resort and Spa“ auf Kuba. Natürlich in der Fidel-Castro-Ehren-Suite mit täglich frischen Blümchen in der Che-Guevara-Gedenkvase. Go big or stay home. Oder soll ich doch lieber nach Mexiko unseren WM-Vorrunden-Auftaktgegner genauer unter die Lupe nehmen? Ich könnte dort im Hotel „The Palm at Playa“ übernachten. Dort soll es nämlich eine fantastische Rooftop-Bar mit Tequilla-Club-Atmosphäre geben. Außerdem könnte ich unserem Bundes-Jogi Taktik-Informationen aus erster Hand durchgeben. Oder soll ich doch lieber auf die Malediven und lustige Tauch-Selfies mit bunten Fischen machen? Oder dann doch lieber direkt nach Mauritius aufgrund der relativ geringen Zeitverschiebung? Im „Canonnier Beachcomber Golf Resort and Spa“ scheint noch ein Zimmer frei zu sein. Eine attraktive Golflehrerin winkt mir auch schon von der Website augenzwinkernd zu. Verführend – aber leider doch langweilig. Ich habe bestimmt schon gefühlte 1.000 Golfbälle in den indischen Ozean gehackt. Das muss reichen. Disneys Arielle hält die Dinger bestimmt für seltene Perlen.

 

Nein, dieses Jahr brauche ich den absoluten Urlaubs-Kick mit echten Aha-Erlebnissen. Gern auch für den schmalen Geldbeutel. Mein Urlaubsmotto 2018: „Viel erleben – wenig bezahlen – Mut wird belohnt!“ Na, das kann ja was werden. Ich klicke also die bekannten Urlaubs-Anbieter im Web zur Seite, begebe mich in die Tiefen der alternativen Urlaubs-Grenzerfahrungen und schließe mich einer ganz besonders skurrilen Reise-Community an. Sie heißen „Freaks-on-Tour“ und ihre Ansage auf der Homepage lautet: „Urlaub mit uns. Trauste Dich?“. Ich bin mutig bzw. verrückt genug, um mich darauf einzulassen. Wenn sich einer traut, dann ich. Gesagt, gebucht.

 

Acht Monate später: Es soll so eine Art Rundreise werden. Aber nicht mit dem glatzköpfigen Captain Stubing und seinem Love-Boat ins Glück, sondern eher mit einem verrosteten Alptraum-VW-Bulli-Bus von 1970 ins Ungewisse. Ein prüfender Blick auf das Nummernschild zeigt deutlich den Abenteuer-Faktor: die TÜV-Plakette ist von 1987. Das Experiment beginnt.

 

Unsere erste Station liegt in der Nähe von Freiburg. Es geht in die fiktive Schwarzwaldklinik im Glottertal. Die prächtige Filmkulisse wurde eigens für unseren Urlaub nochmal in eine psychotraumatische Akut-Klinik mit Kettensägen-OP-Saal umgestaltet. Wir übernachten im Aufwachraum und eine Gaby-Dohm-Doppelgängerin singt Einschlaf-Lieder vom kleinen Sandmann. Wir dürfen sogar Schwester Christa zu ihr sagen. Das ist im All-In-Krankenpaket inklusive. Aber wir bleiben natürlich nicht lange, da wir nur popelige Kassen-Urlaubs-Patienten sind.

 

Weiter geht es über die Schweiz, Österreich, Ungarn nach Rumänien. Ein echter Höllen-Ritt. Dort besichtigen wir schließlich ein stillgelegtes Braunkohle-Bergwerk und entschließen uns ein paar Tage zu bleiben. Wir richten unser Bettenlager „Unter-Tage“ in der „Mine Gisela“ ein und singen zum Abend alte Bergmanns-Klassiker. Na dann, Glück auf. Heiser wachen wir am Folgetag gegen Mittag auf und fahren mit deutlichem Restalkohol im Blut weiter. Ein echter Palinka brennt eben mehrmals. Oben und unten. Versprochen.

 

Über Moldawien geht’ s in die Ukraine. Unser Urlaubs-Tour-Guide hat eine besondere, erotische Überraschung mit uns vor. Wir haben uns zwei Tage im Swinger-Club „Besthouse“ in Lviv eingebucht. Unser Keller-Domizil ist mit dreckigen, antiken Matratzen aus Tschechien ausgelegt, es riecht authentisch nach einer Mischung aus Schweiß, Vanille und weißem Krimskoye Krimsekt halbtrocken. In der einen Ecke rauscht eine Nebelmaschine auf dem letzten Loch, in den drei anderen Ecken warten die rassigen Swingerstuten Anastasia, Ecaterina, Jaroslava und ihr Ehemann Jevgeni auf das Startzeichen. Sie haben ebenfalls das Urlaubs-Überraschungs-Set über´s Wochenende gebucht. Da die zahnlosen Ukraine-Girls aber locker „Ü60“ sind, Kopftuch sowie Kittelschürze tragen und Jevgeni ein bißchen wie Sloth (der misshandelte und extrem verunstaltete Sohn der Fratellis aus dem Abenteuerfilm „the Goonies“) aussieht, brechen wir vorzeitig ab und sehr zügig auf. War wohl eher „RESThouse“ anstelle „BESThouse“. Wir fliehen über´s Meer.

 

Mit dem Floß geht es über das Schwarze Meer nach Istanbul. Dort haben wir eine Kaffeefahrt durch das lokale Krematorium fest gebucht. Für umgerechnete 12,50 EUR bekommen wir nicht nur fundierte, historisch belegte Informationen über türkische Feuer- und Erdbestattungen, sondern auch ein Tablett voll Baklava und eine Karaffe voll mit Original-Ottoman-Apfeltee. Wir sind endgültig in 1.001 Nacht angekommen. Unser türkischer Tour-Guide trägt ein Trikot von Antalyaspor, heißt eigentlich „Karabulut“ und grinst, als ob ihm jemand die Kniescheibe spitz gefeilt hat. Meine Reisebegleiter nennen ihn einfach „Sindbad“. Er zeigt uns noch die ältesten Brennöfen und die Streuwiese. Als ein fremder Mann aus einer anderen Reisegruppe stotternd fragt, wie lange ein Mensch denn eigentlich so im Durchschnitt brennt, brechen wir auch hier hektisch ab. Wir halten uns die Ohren zu, ignorieren die Stellenausschreibung zum osmanischen Sargträger am Ausgang und hetzen Richtung Flughafen Atatürk.

 

Mit KLM fliegen wir nach Amsterdam. Dort freuen wir uns schon auf eine idyllische Grachtenfahrt durch die holländische Kanalisation. Wie ein ausgebildeter, venezianischer, uniformierter Gondoliere steuert uns der erst 16-jährige Klaas-Maarten DeJoong durch die unterirdischen Kanäle. Für ihn ist es nur ein unterbezahlter Ferienjob. Für uns ist es natürlich wieder eine ganz besondere Grenzerfahrung. Vor allem für unsere Nasen. Denn bei dem Gestank wird selbst der älteste, kräftigste, holländische Käse zum neuen Mega-Duft von Coco Chanel. Aber dieses Mal ziehen wir es durch. Tapfer, aber voll benebelt, bedanken wir uns bei Klaas-Maarten, stecken ihm einen Fuffi zu und fragen flüsternd nach dem nächsten „Coffee-Shop“. Ihr wisst, was ich meine. Nach der einen und anderen Dutch-Räuchermischung fühlen wir uns sichtlich wohl und verlängern unseren Holland-Trip um weitere zwei Tage. Wir rauchten uns durch das volle Amsterdamer-Programm. Unser Favorit war am zweiten Tag ganz klar eine wilde Mische von Bong-Bastic. Die Wirkung beginnt eigentlich direkt nach dem Rauchen und baut sich innerhalb von drei Minuten kontinuierlich weiter auf. Der Effekt ballert uns extrem in den Schädel und ist dabei sehr euphorisch. Unrealistisch euphorisch sogar. Jetzt weiß ich auch, warum die Holländer immer wieder denken, dass sie gut im Fußball wären. Räucherstäbchen Bong-Bastic sei Dank. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

 

In einem Fracht-Container werden wir von Amsterdam über Hamburg wieder nach Hause verschifft. Nach diesem Trip brauchen wir erst mal Urlaub. Unser Tour-Guide hat aber noch einen echten Kracher in der Hinterhand. Es soll nach Asien gehen. In dem Reiseprogramm steht: „Thailand richtig spüren – Bangkok aus der Sicht eines minderjährigen Ladyboys.“ Wir haben wohl das Extrem-Programm inklusive Aufenthalt im „Phuket Tattoo Shop Old Man Tattoos“ zu einem Vorzugspreis bekommen. Inklusive schickem „F-R-E-A-K-Tattoo“ auf den fünf Fingerknöcheln. Allerdings soll es im Direktflug mit Air-Berlin vom neuen Berliner Flughafen BER nach Thailand gehen. Na, das kann ja auch ein neues Abenteuer werden. In diesem Sinne, Fernweh Adé.

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