Golf ist (k)eine Zauberei.

 

"Es war einmal ..." So beginnen eigentlich alle Märchen. Nur dieses Märchen über den tapferen Golfschüler „Harry Putter“ eben nicht. Diese Geschichte beginnt mit einem lauten, soliden Schrei:

 

„FORE“ hallte es lautstark durch die Luft. Mehrmals. Immer wieder. Eine klassische Begrüßungsgeste auf der atemberaubenden Golfranch – einer Golfakademie tief im Herzen Großbeerens. Ein Ort voller Magie, Geheimnissen und den ungeklärten X-Files von Dana Scully und Fox Mulder. Eine Ausbildungsstätte für Hexerei, Zauberei und die Verteidigung mit einem Eisen 8 gegen immer wiederkehrende Triple-Bogey-Geister. Harry Putter war verunsichert. Er hatte sein ganzes Leben im Schrank unter der Treppe verbracht. Aber jetzt stand er in der Großbeerener Winkelgasse im Pro Shop und sollte sich einen Satz Leihschläger besorgen. Legenden besagen, dass ein Schlägersatz einen Golfer auswählt und nicht der Golfer den Schlägersatz. Er entschied sich für den „Bomber 2000 von TaylorMade“ mit eingebauten Blendgranaten zur Vertuschung von schlechten Schlägen. Eine gute Wahl.

 

Harrys erste Golflehrerin war eine alte, bärtige PGA-Pro-Domina namens Lady McDrive, die schon Ryder-Cup-Legenden beim ersten Ryder Cup 1927 im Worcester Country Club beglückte. Mit einem Pitching Wedge in der einen Hand und einer ledernden BDSM-Gerte in der anderen Hand, führte sie Harry in die Mysterien des Golfsports ein.

 

Erste Stunde: „Angewandte Züchtigungsmethoden bei Junggolfern“.

Zweite Lehreinheit: „Das kurze Spiel mit dem Schmerz.“

Dritte Einheit: „Die akzeptierte Erniedrigung als devote Hingabe im Golfsport“.

 

Harry begann mutig aber unsicher mit einem Probeschwung. Es zischte, es knallte, aber nichts geschah. Dann folgte ein klassischer Topper – der Ball hoppelte zehn Meter weit. Beim zweiten Schwung verfehlte er den Ball komplett – ein Luftschlag. Oh nein. Lady McDrive lachte hysterisch wie der Golf-Satan persönlich und befahl Harry zwei Strafstunden Aufenthalt in der engen Caddybox. Unter Druck lernt man eben doch am schnellsten. Schon bald traf er die Bälle sauber mit seinem 7er Eisen und erreichte eine beachtliche Carry Distance. Beim Pitchen auf das Übungsgrün entwickelte er ein erstaunliches Gefühl für die Balllage und Spin-Kontrolle. Lady McDrive war beeindruckt und schenkte Harry zwei persönliche Gratis-Sessions bei Vollmond in der schäbigen Gewitterhütte vor Loch Drei. Harry erschien nackt – wie befohlen.

 

Nach einigen Wochen auf dem Platz lernte Harry Putter andere Junggolfer kennen. Sie zeigten sich gegenseitig neu erlernte Zaubereien und mächtige, magische Schwünge. Herman Hook, der oberschlaue Anführer mit Platz- und Wetterkenntnis. Ron Sliceley, ein treuer Mitläufer mit dem Hang zum Drive ins Aus. Und Draco Drawford, ein schnöseliger Scratch-Golfer aus der Nachbarakademie Österreichs, der gerne mit seinem handgeschmiedeten Eisensatz prahlte. Trotz ihrer geistigen und körperlichen Unterschiede fanden Harry, Ron, Draco und Herman zusammen und bildeten fortan einen eigenen Donnerstags-Flight, von dem noch viel Unruhe ausgehen sollte.

 

Die vier Golf-Zauberer treffen sich nicht ohne Grund auch heute noch immer donnerstags. Abgleitet von Donar, dem germanischen Wettergott (besser bekannt als Thor), spielen Blitz, Donner, Stärke und viel zu viel Kraft eine besondere Rolle im Golfspiel dieser „fantastic Four“. Und es ist kein Zufall, dass sie zu viert unterwegs sind. Der genaue Blick auf die Vier verrät intime Details und Gemeinsamkeiten mit anderen berühmten Vierer-Gruppen. Zum Beispiel den vier Beatles. Frauen kreischen und werfen ihre Unterwäsche auf den Platz, wenn sie die Bühne betreten. Oder den vier TKKG-Kinderdetektiven. Einer ist schlau, einer sehr sportlich, einer wunderschön und einer mächtig übergewichtig. Oder denkt mal an die vier Ghostbusters. Sie jagen, sie nutzen innovative Technik – aber am Ende bleibt es ein paranormales Spiel, das nicht wissenschaftlich zu erklären ist. Und dann wären noch die vier amateurhaften, jamaikanischen Bobfahrer aus Cool-Runnings. Gemeinsam geht die wilde Fahrt eiskalt bergab – aber alle haben Spass und sitzen eng beieinander.

 

Nebenbei ist der Donnerstag der vierte Tag der Woche. Auch kein Zufall. Daher ist die Donnerstagsrunde zur Routine geworden. Und Routinen spielen im Golfsport bekanntermaßen eine sehr wichtige, oft unterschätzte Rolle. Sogenannte Pre-Shot- oder auch Post-Shot-Routinen können das Golfspiel deutlich verbessern. Hier ein kleiner intimer Blick auf die Routinen der Donnerstagsrunde, die dem ambitionierten Golfer aber eher als merkwürdige, seltsame Rituale erscheinen:

 

- Ein Glücks-Bier vor dem ersten Abschlag in der Schankstube des Vertrauens ist Pflicht. Kann wahlweise aber auch ein Glücks-Käffchen sein.

 

- Alle tragen eine um zwei Konfektionsgrößen zu kleine Speedo-Badehose. So bleibt das Blut im Oberkörper und verlängert die Drives um 10-20 Meter.

 

- Vor dem Spiel werden die Bälle in Manuka-Honig getaucht. Eine seltene Honig-Sorte aus Neuseeland. Sie erhoffen sich dadurch die Unterstützung und Gelassenheit der Maori-Völker in zahlreichen Grenzsituationen.

 

- Gemeinsame Meditationsübung in dem Starter-Häuschen an Tee 1. Man setzt sich händehaltend gegenüber und spricht sich gegenseitig Mut zu. Die Tür wird aufgrund des Jugendschutzgesetzes verriegelt und die Vorhänge werden bewusst zugezogen.

 

- Gemeinsam besticht man dann die Waldgeister und wirft kleine Haselnuss-Schnäpse in den Wald. Als Gegenleistung schmeißen die Waldgeister die Bälle wieder zurück auf´s Fairway. Beim Golfen ist man eben per Du mit der Natur.

 

- Alle Spieler betreten Tee 1 mit dem linken Fuß zuerst und verbeugen sich tief in Gedanken vor Lady McDrive. Wird schon schiefgehen.

 

- Und dann wäre da noch das unangenehme Mittelstrahl-Ritual an Loch 2. Alle Spieler heben im Vorbeigehen kurz das Bein beim großen Baum in der Mitte. Kein Wunder, dass er so aussieht, wie er aussieht.

 

- Loch 3 wird mit verbundenen Augen gespielt – macht ja eh keinen Unterschied im Treffmoment.

 

- Durchhalteparolen. Ab Bahn 5 spricht man sich gegenseitig nur noch mit ausgefallenen Tiernamen an. Animalische Motivation, Du geile Sau.

 

- Nach dem letzten Putt an Loch 9 schießt der Gewinner mit einer Signalpistole 3 x in die Luft und 1 x in die Erde. Das bedeutet für die Gastro: schnell 3 Bier und einen Milchkaffee.

 

Nach der Runde trifft man sich dann im vertrauten Kreise der gesamten Therapiegruppe im Gastrobereich und bespricht seine jüngsten Erfahrungen und seine Herausforderungen im Umgang mit dem kleinen, weißen Ball. Alternativ werden Leiden und Krankheitsbilder besprochen, die eigentlich alle der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Man spürt sofort gegenseitige Anteilnahme und teilweise ehrliches Mitleid für die Gebrechen der Mitpatienten. Nach weiteren drei alkoholischen Kaltgetränken spüren alle nur noch gierige Zuneigung füreinander und das gibt die notwendige Motivation für nächsten Donnerstag. Beim Verlassen des Golfplatzes rufen alle Patienten nochmal laut „FORE“ und man freut sich auf nächsten Donnerstag. Etwas Magisches weht über dem Golfplatz in Großbeeren. Achtet mal drauf. Vor allem donnerstags.

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